Unser Ferdervieh

    Momentan ist es wieder in aller Munde. Die Erlaubnis zum Töten von männlichen Küken am ersten Lebenstag bleibt vorerst erhalten. Obwohl Verbraucher und Erzeuger erstens andere Tierhaltungen wollen und zweitens sagen, dass es möglich ist, Landwirtschaft und Tierhaltung anders zu gestalten. Wirklich? Wieso bleiben wir dann beim Kükenschreddern und verbieten es nicht?

    Das hängt wiederum an uns. An uns allen. Verbraucher, die weiterhin gerne günstiges Fleisch und günstige Eier haben möchten, Landwirte, die auf eingefahrenen Wegen bleiben wollen oder müssen und vor allem: an den Strukturen der Agrarpolitik, der Subventionsverteilung und den Vertriebswegen durch Großhandel und Einzelhändler, die Preise massiv drücken und einen Großteil der Umsätze an den Naturprodukten selbst einnehmen. Dieses ganze System ist dermaßen verzwickt und festgefahren, dass es schon eine große Portion Mut braucht, um etwas gänzlich anderes zu machen.

    Dennoch ist der Bereich der Geflügelzuchtkonzerne ein mächtiger Goliath, dem wir hier die Stirn bieten wollen. In den 1950er Jahren hat sich die Hühnerhaltung massiv von der bäuerlichen Haltung mit einer kleineren Hennenschar und vormals noch eigener Nachzucht wegentwickelt. Zuchtunternehmen wie Lohmann, Novogen oder Hendrix Genetics entwickelten eine Legehenne mit besonders hoher Leistung. Allen voran waren das hier in Deutschland besonders die Lohmann Tierzucht. Mit der Eierleistung der neuen Hybriden konnten die bäuerlichen Betriebe nicht mithalten. Eierproduzenten hießen die einfache, kostengünstige Variante der Aufstallung leistungsfähiger Legehybriden willkommen. Keine Brut, keine Aufzucht, sondern ausschließlich Legehennenhaltung mit einer Eierleistung von 250 Eiern pro Henne und Jahr, was damals als besonders viel galt. Dieses System hat sich über die Jahrzehnte immer mehr gefestigt und heute sind die allermeisten Legehennen Hybriden mit vielsagenden Namen wie: LB plus, LB classic oder LB extra. LB steht für Lohmann brown. Eine braune Legehenne also aus dem Hause Lohmann mit einer Eierleistung von aktuell 320 Eiern pro Jahr und mehr.

    Durch die züchterische Selektion auf Eierleistung ist den Tieren die Anlage zum Fleischansatz abhandengekommen. Genetik hat ihre Grenzen und nicht jedes Merkmal kann ins Unermessliche gesteigert werden. Es gibt genetische Regeln, nach denen sich dieses oder jenes verstärkt, andere Dinge zurückgedrängt werden und manche Genorte noch gar nicht beeinflusst werden können, oder jedenfalls nicht in der Richtung, die man eigentlich bräuchte. Zuchtprogramme laufen über Jahrzehnte und Elterntiere für die Zucht verbringen ihr Dasein in Einzeltierkäfigen, in denen sie strengstens auf Merkmale wie Leistung oder Futterverwertung hin geprüft werden. Der Hühnermarkt ist hart und um da mitzuspielen, muss man ebenso hart sein können. Die Prüfung auf Futterverwertung allerdings ist nicht schlecht, denn derzeit braucht es ca. 2 kg Futter für 1 kg Eimasse. Ein nicht unerhebliches Problem in der Hühnerhaltung, da erstens Futterkosten sehr hoch sind und man zweitens nur überlegen muss, wieviel Anbaufläche man für Hühnerfutter braucht. Ackerland sollte in der Hauptsache Menschen ernähren und darf nicht für andere ausufernde Produktionsrichtungen verschwendet werden.

     

    Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Hähnchenfleisch hoch. Die EU produziert derzeit 15 Millionen Tonnen (!!!) Hähnchenfleisch jährlich. Auf Fehmarn gründet sich derzeit eine Bürgerinitiative gegen eine Mastanlage für 260.000 Masttiere. Dahinter steckt ein sogenannter „Investor“, keine Bauer. Und darinnen sitzen dann eigens für die Mast gezüchtete Tiere, deren Schwestern mitgemästet werden, weil sie keine Eier legen, oder jedenfalls nicht ausreichend, da wie erwähnt Genetik ihre Grenzen hat. Gleichzeitig ist auch diese Mastfähigkeit bis in Tierquälerei überzogen. In großen Mastställen müssen massiv Medikamente eingesetzt werden, um die Tiere am Ende ihres Lebens noch aufrecht zu halten. Hähnchen sind in ihrem zarten Alter sehr sensibel, ihr Immunsystem noch nicht ausreichend entwickelt, bis ein Huhn/Hahn die 10 Wochen Marke überschritten hat, kann vieles schief gehen und das sehr schnell. So alt werden Masttiere aber kaum.

     

    Und nun? Der GeflügelzuchtGoliath hat die Hühnervögel fest in der Hand und lässt kleinen bäuerlichen Initiativen kaum Spielraum, denn sie scheitern gnadenlos an der Wirtschaftlichkeit der Haltung. Bei einem Eipreis von 26 Cent konventionell können die Futterkosten, die etwa 60 % der Hühnerhaltung ausmachen, vielleicht gerade noch bezahlt werden, aber dann gibt es keinen finanziellen Hintergrund mehr, um den Bauern zu bezahlen, der die Arbeit macht und sich um die Hühner kümmert. Ganz zu schweigen von laufenden und fixen Kosten, die in der Hühnerhaltung sonst noch anstehen. Und wovon soll der Bauer leben, wenn er seine Arbeit nicht bezahlt bekommt? Mal ganz abgesehen davon, dass die Bauern gerne wieder andere Hühnerhaltung möchten, sie können es schlichtweg nicht leisten. Mal ehrlich: wer von uns, egal in welchem Beruf würde einwilligen, wenn es bei Arbeitsvertragsverhandlungen heißt, dass man dafür zahlen soll, dass man arbeiten darf?

     

    Wege aus der Misere sind schwer. Wenn 15 Mio. Tonnen Hähnchenfleisch zu einem Preis vermarktet werden können, der dem Leben des Tieres spottet und Menschen beim Ei auf den Cent achten, wird sich kaum etwas verändern können. Natürlich fehlt Verbrauchern oft das nötige Hintergrundwissen, um sich beim Einkauf auch wirklich für sinnvolle Alternativen entscheiden zu können. Der Handel hat den Wunsch nach einer erträglicheren Produktion mit mehr Tierwohl schnell aufgeschnappt und Tierwohllabels entwickelt, die auf Freiwilligkeit beruhen und gleichzeitig nichts aussagen. Die Herkunft der Produkte ist nicht wirklich nachvollziehbar, aber auf der Packung prangt das Label. Wem soll man da noch glauben, wie den Dschungel der Labels (eu-bio, demeter, bioland, naturland, tierwohl,…) durchdringen? Gänzlich auf tierische Produkte zu verzichten bringt auch keine Lösung, denn ist es völlig utopisch, dass die gesamte Menschheit das tun wird. Es macht agrarisch auch keinen Sinn. Es gibt Grünlandfläche und Erntereste, die ökologisch sinnvoll im Tierbereich verwertet werden können.

     

    Und schon sind wir mitten drin im verzwickten System mit all seinen Einzelheiten, Widrigkeiten und versperrten Wegen. Ein paar Hühner im Garten halten, ist einfach. Aber Eier und Hähnchenfleisch auf den Markt zu bringen, das ethisch vertretbar produziert wurde? Da muss ein System gebaut werden, welches für viele Jahre Bestand haben kann und dessen Leistung vorhersehbar wird, damit Bauern auch künftig weiterhin ethisch vertretbar produzieren können. Kleine bäuerliche Betriebe haben nicht die aufwändigen Zuchtmöglichkeiten einer Lohmann Tierzucht. Einfach ein paar Eier ausbrüten ist sehr teuer, sehr arbeitsintensiv und man braucht viele Elterntiere, um ausreichend selektieren zu können. Allein dabei beißt sich die Katze, bzw. das Huhn in den Schwanz. Denn wir wollen ja kleine bäuerliche Hühnerherden und keine massenhaften Auswahlhühner. Nach den Mendelschen Regeln verliert sich aber die Eierleistung, wenn Selektion nicht hart durchgeführt wird. Und wieder scheint denn Lohmann Tierzucht am längeren Hebel. Wen wundert es da, dass anhand der Komplexität der Zusammenhänge in der Politik keine Alternative zum Kükenschreddern, bzw. Kükenvergasen gefunden werden kann?

    Wie im obigen verlinkten Artikel liegt sich der Bereich der Entwicklung von Lösungen aktuell noch zumeist in der Forschung. Praxisbetriebe sind rar, denn das Einkommen der Betriebe hängt von der Machbarkeit ab. Auch wir vom WeidenHof können Lohmann Tierzucht nicht einfach so hinter uns lassen, denn sonst hätten andere Bauernhöfe das schon längst getan. Wir müssen mit Zucht, Hühnerhaltung und Wirtschaftlichkeit jonglieren und sehen uns dabei mit vielen offenen Fragen konfrontiert. Und somit geht das kaum ohne Verbündete. Eine davon ist Inga Günther und die Ökologische Tierzucht. Hier an der Stelle lassen wir Inga direkt zu Wort kommen:

    „Gemeinsam das Öko-Huhn von morgen züchten

    Kaum ein Bereich der ökologischen Tierhaltung fordert den Paradigmenwechsel hin zu mehr Tierwohl und zu „Qualität von Anfang an“ derart deutlich ein wie die Geflügelhaltung. Die Abhängigkeit von industriellen Zuchtstrukturen und damit einhergehend das unerträgliche Kükentöten werden von vielen Landwirten in der Bio-Bewegung als nicht passend und nicht zukunftsfähig empfunden. Die Gesellschaft ruft nach echten Werten – sie fordert uns alle auf, würdevoll mit Tieren umzugehen.

    Hier bietet die Initiative von Bioland und Demeter, die Ökologische Tierzucht gGmbH (ÖTZ), Lösungen an. Sie werden umso durchschlagender und erfolgreicher sein, je mehr Bäuerinnen und Bauern sich an der Züchtungsarbeit für das Öko-Huhn von morgen schon heute beteiligen.

    (…)

    Unsere Zweinutzungshenne – das Zukunftshuhn: Unsere Hoffnung ist es, in Zukunft vorrangig ein echtes Zweinutzungshuhn auf den Höfen zu sehen. Hierbei ist die Henne in der Lage ca. 240 Eier zu legen und der Hahn in 17 Wochen 3kg Lebend. Um dieses Ziel zu erfüllen, werden wir unsere Linie weiterentwickeln und diverse Tests durchführen.“

    Inga Günther, ÖTZ
     

     

    Inga Günther und die ÖTZ übernehmen also den aufwändigen Teil der Hühnerzucht, bereiten die Strukturen vor und bauen Netzwerke auf. Höfe wie der WeidenHof beteiligen sich und halten diese Hühner als Bruderhähne und Legehennen, wobei Brathähnchen, Suppenhühner und Eier dabei herauskommen. Die Zweinutzungshühner sollen den Höfen dabei einiges für eine artgerechte Hühnerhaltung erleichtern. Das Futter muss nicht ganz so anspruchsvoll sein, der Verbrauch ist nicht so hoch. Das Huhn zeigt sich sehr geländegängig und hat einen relativ ruhigen Charakter, wenn es ausreichend Beschäftigung wie z.B. in der Freilandhaltung, hat. Dafür ist unsere Haltungsform einer kleinen Hühnerschar im Hühnermobil ideal. Die zusätzlichen Nährstoffe durch frische Hühnerweide kann das Huhn gut verwerten und ist auch insgesamt etwas robuster, was bei Rassen, die nicht explizit Hochleistungstiere sind, ja oft ein positiver Nebeneffekt von einer etwas geringeren Leistung ist. Die geringere Eierleistung im Gegensatz zu Hybriden der üblichen Züchtungen kann aber im Rahmen einer solidarischen Landwirtschaft gut abgefedert werden. Da wir ja keine Eier für den Großhandel produzieren, stallen wir eben Hennen nach Bedarf der Wirtschaftsgemeinschaft ein. Dazu wurde in den kalten Wintermonaten auf dem WeidenHof viel recherchiert, kalkuliert und nun geht unser Konzept in den ersten Praxis-test. Das Hühnermobil wurde repariert, auf den neuesten Stand gebracht und Futter- und Versorgungskonzepte gut durchstrukturiert. Nachdem wir mit den Bruderhähnen erste Erfahrungen mit dieser Hühnerrasse gemacht haben, geht es nun um die legenden Schwestern. Die Hennen sind angekommen. Neben der Stalleingewöhnung und der Erforschung überlebenswichtiger Fragen wie: „wo finde ich Wasser und Futter?“ oder „wo sind die Magensteinchen?“ müssen sie nun erstmal die zukünftigen Abläufe und ihre neue Umwelt kennenlernen. Morgens fressen, putzen, ihr Ei ins Nest legen lernen und dann raus zum Tagesspaß auf der Weide: Sandbaden, in der Sonne dösen, Scharren, nach Körnern und Grünzeug picken, dem Hahn hinterherlaufen, gemeinsam herumgackern, achtsam bei Flugfeinden sein und nach einem aufregenden Tag auf der Wiese wieder ins Mobil auf die Sitzstange finden. So ein Hühnerleben kann echt anstrengend sein. Und einige Hennen sind noch damit beschäftigt, dass alles geistig zu durchdringen, während andere schon ziemlich souverän ihren neuen Wohnort durchschreiten. Deswegen macht man es auch so, dass die Hennen kurz vor Legebeginn in den neuen Stall kommen, damit sie sich schon zurechtgefunden haben, bevor sie jeden Tag eine geeignete Stelle zur Eiablage suchen wollen. Denn Eierlegen ist so ziemlich das aufregendste im Leben einer Henne. Manche von ihnen verkünden lautstark, was sie da soeben vollbringen und schreiten danach noch minutenlang völlig verklärt und erhobenen Hauptes durch die Gegend.

     

    Gemeinsam das Öko-Huhn von morgen halten

    Der WeidenHof hat sich für die ÖTZ- Zweinutzungshennen „Coffee“ und „Cream“ entschieden. Da wir neue, andere Wege der Landwirtschaft gemeinsam mit unseren Mitgliedern beschreiten, hoffen wir, den Bedarf an Eiern mit der Zweinutzungshenne der ÖTZ erfolgreich decken zu können, wobei Investitionen sich langfristig niedrig halten durch diese robustere, ein wenig anspruchslosere Rasse. Gleichzeitig nutzen wir die Brüder dieser Hennen als Masthähnchen, deren Mast zwar länger dauert, da sie durch deinen genetisch langsameren Fleischansatz länger brauchen als ihre Mastartgenossen, aber dafür auf dem Teller dann Genuss mit gutem Gefühl bieten. Wir hoffen sehr, dass unsere Coffee und Cream sich durchsetzen werden, denn es sind nette Tiere, die sehr schnell zutraulich werden und mit ausreichend Beschäftigung im Auslauf eine entspannte ruhige Hühnerschar abgeben. Eine eireichere Alternative wären noch die Öko-Legehybriden „gold“ und „silver“. Aber solange wie möglich setzen wir auf Zweinutzung. Die Hähnchenmast ist aufgrund der Altersstruktur der Tiere schon etwas aufwändiger, zudem bietet die Arbeits-Komfortabilität des Hühnermobils im täglichen Alltag Erleichterung bei der Futter-und Wasserversorgung. Zeit, die man spürbar mehr in die Begleitung der Tiere einbringen kann.

    Im Verbund mit unseren Mitgliedern des Hofes können wir versuchen, Hühnerhaltung ein wenig zu revolutionieren. Unsere Legehennen mussten nicht auf Kosten ihrer Brüder großgezogen werden, sie dürfen etwas gemächlicher Eier produzieren und sich dann den Rest des Tages im Auslauf vergnügen. Wenn das alles klappt, gibt es wieder einen Praxis-Betrieb, für den Inga Günther weiter an der Zucht der Zweinutzungshenne forschen kann und vielleicht auch bisher vernachlässigte Zuchtziele wie Sozialverhalten und Robustheit weiter bearbeiten kann. Auch das Huhn muss entwickelt und verbessert werden, damit es immer mehr Betrieben leichter fällt, auf ein anderes Denken in der Hühnerhaltung umzusteigen. Auch die Coffee und Cream sind noch nicht „fertig“, diese Rasse ist bislang ein „Forschungshuhn“. Gleichzeitig müssten tierische Produkte höhere Preise haben, Eier für 50 oder 60 Cent zum Beispiel, bio-Hähnchenfleisch kostet ja jetzt schon oft doppelt so viel (oder noch mehr) wie konventionell erzeugtes. Aber das braucht es auch, um den produzierenden Höfen mehr Handlungsspielraum zu geben und das kann es am besten, wenn der Preis für solche Produkte direkt bei den Höfen ankommt. Und langsam und allmählich werden immer mehr Betriebe andere Hühner halten können. Und dann können wir einmal sagen: damals, als wir es noch nicht besser wussten, da wurden die männlichen Küken direkt nach der Geburt geschreddert….

     


     

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